Kommentar von Dennis Riehle zum Beitrag „AfD erstellt Gegengutachten – Union sei genauso ‚gesichert rechtsextrem'“ (aus: WELT vom 03.06.2025)
Natürlich ist es jedem unbenommen, auch manch einem unklugen Schachzug zu frönen, zündet man in der politischen Auseinandersetzung schlichte Nebelkerzen. Es mag für außenstehende Beobachter ein notwendiger Schritt gewesen zu sein, dass sich die Alternative für Deutschland auf das Terrain des Sandkastens bewegt, wenn sie mit einem Gegengutachten dem Verfassungsschutz beweisen will, dass dieser mit seinem Sammelsurium an völlig unbedeutenden Zitaten über unzählige Bundestagsabgeordnete und Funktionäre der Partei eine Definitionsgrundlage für das Etikett des „gesichert Rechtsextremistischen“ geliefert hat, welches sich im Zweifel auch problemlos auf CDU und CSU anwenden ließe. Nach dem Motto „Nimmst du mir mein Schäufelchen, klaue ich dir dein Eimerchen“ wird mit einer ziemlich kindischen Reaktion auf ein in der Öffentlichkeit ohnehin kaum ernst genommenes Papier Bezug genommen, das sich schon deshalb als wenig tragfähig erweist, ist es in Teilen widersprüchlich, inkonsistent und unplausibel. Trotzdem soll es ein mediales Manöver sein, weist man auf den Umstand hin, dass Alice Weidel ihre Kraft nicht konservativer oder libertärer ansieht, als es die Union anhand ihrer Programmatik und Ideologie ebenfalls ist. „Schaut her, die da drüben sind genauso konsequent und radikal wie wir!“. Ein allzu juveniles Schauspiel, das sich dort Bahn bricht.
Der Rachefeldzug gegenüber einer weisungsgebundenen Behörde kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, an dem es eigentlich so viele inhaltliche Fragen zu klären gäbe. Doch augenscheinlich wiegt das Interesse höher, aller Welt zu demonstrieren, dass man doch gar nicht so böse ist, wie das die sogenannten „Guten“ über vermeintliche Nazis 2.0 behaupten. Dabei pfeifen es die Spatzen längst von den Dächern, dass die Mehrheit in diesem Land kaum Probleme mit einer strikten Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern, einer Abkehr von der energetischen Transformation, einer Unterstützung des Konzepts lediglich zweier Geschlechter, einem Schlussstrich unter Vielfalt und Toleranz oder einem Mehr an Neutralität mit Blick auf all die Kriege und Konflikte rund um den Globus hat. Statt sich selbstbewusst für die Forderungen, Standpunkte und Erwartungen zu Remigration, Technologieoffenheit, Binarität, Frieden und Meinungsfreiheit einzusetzen, diese entsprechend zu erläutern sowie mit Argumenten, Konzepten und Vorschlägen noch mehr Menschen von der Frontalopposition zu überzeugen, springt man über das Stöckchen, das der Inlandsgeheimdienst hingehalten hat. Und all das nur um einer unterwürfigen Anpassung und Konformität willen, möchte man sich regierungsfähig und koalitionstreu erweisen, sollte es irgendwann doch zur Chance reichen, Macht und Einfluss zu erlangen.
Die AfD ist nicht in der Pflicht, sich für irgendetwas zu verantworten. Stattdessen geben die Umfragewerte ein deutliches Signal ab. Nicht nur ihr Stammklientel hält auch dann zu ihr, wird sie durch einen immer deutlicher werdenden Totalitarismus an den Pranger gestellt. Es fehlt also manch einem Bundestagsabgeordneten und Funktionär an Rückgrat und Courage, nicht als Kaninchen vor der Schlange einzuknicken, wie es beispielsweise aktuell auch Dr. Maximilian Krah tut. Einst ein Verfechter des Vorfeldes und Anhänger des ethnischen Volksbegriffs nach Art. 116 GG, entpuppt er sich seit einigen Wochen als Duckmäuser unter der Moralfuchtel und Verräter gegenüber der blauen Jugend, obwohl er doch am besten wissen müsste, wie sich ein heuchlerischer Dolchstoß aus den eigenen Reihen anfühlt. Schließlich hatte er selbigen während des Europawahlkampfes von seinen Kontrahenten zugefügt bekommen. Insofern stellt sich nicht nur intern die Frage, inwieweit es tatsächlich sinnvoll und zielführend ist, sich mit aller Brachialität und Plumpheit einem Widersacher wie den Schlapphüten in den Weg zu stellen, der ohnehin seine Legitimation verloren hat, als der ehemalige Präsident Haldenwang das Kalifat zu einer „denkbaren Staatsform“ erklärte. Wieso gibt man sich also mit Spitzeln ab, die genau jene Aufmerksamkeit nicht verdient haben? Die Taktik erschließt sich kaum, die Unnötigkeit dafür umso mehr.