Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Forderung nach Neuauszählung der Bundestagswahl – AfD unterstützt jetzt Wagenknecht“ (aus: WELT vom 11.10.2025)
Lange Zeit als eine „One-Woman-Show“ degradiert, leistet das BSW im Augenblick einen namhaften Dienst für die Demokratie. Denn gab es bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 möglicherweise gravierende Fehler in der Auszählung, die der einstigen Linken-Ikone den Einzug ins Parlament versagten, um eine schwarz-rote Regierung zu ermöglichen, die in Wahrheit vielleicht gar keine Mehrheit besitzt? Namhafte Wissenschaftler und Experten verweisen darauf, dass das überaus knappe Ergebnis sodann nicht haltbar sein könnte, berücksichtigt man relevante Indizien dafür, wonach beispielsweise unklar ausgedrückte Voten des Souveräns dem „Bündnis Deutschland“ zugeordnet wurden, statt sie eigentlich dem Team um Sarah Wagenknecht anzurechnen. Mit 4,981 Prozent scheiterte man minimal an der Hürde zum Einzug ins Plenum, etwa 10.000 Stimmen fehlten für das Überschreiten der Grenze. Wäre dies gelungen, hätten etwa 30 Mandate ihren Berechtigtenkreis gewechselt. Friedrich Merz stünde ohne Legitimierung und Machtoption da, wir würden in gänzlich anderen Zeiten leben.
Merz fürchtet um seine Mehrheit, die Gerichte sorgen sich vor massiven Konsequenzen…
Trotzdem wird eine Überprüfung und mögliche Korrektur der Verhältnisse immer weiter verschoben. Schließlich könnte viel auf dem Spiel stehen, müsste man nachträglich einräumen, dass CDU, CSU und SPD lediglich eine kleine Koalition wären. Systematische Mängel bei frappierenden Namensähnlichkeiten und anzunehmenden Übermittlungsproblemen können in einer Volksvertretung nicht auf die lange Bank geschoben werden, tangieren sie doch das ohnehin schon angeschlagene Verhältnis zwischen Gesellschaft und Politik. Dass man einem unliebsamen Konkurrenten nicht aufs Spielfeld lassen möchte, der den etablierten Kräften bei zahlreichen Themen ordentlich in die Parade fahren würde, ist kaum überraschend. Trotzdem wäre es das Gebot der Stunde, die Ungültigkeit des Resultats durch das Verfassungsgericht feststellen zu lassen, bewahrheiten sich die substanziellen Einwände, dass ein Wettbewerber um den Sieg gebracht wurde. Immerhin würde eine weitere Opposition in Zeiten großer Unzufriedenheit nicht schaden, die sich auch von der AfD klar unterscheidet.
Das BSW ist eine beachtenswerte Oppositionsvariante, die ein authentisches Abbild verdient!
Letztlich ist der Vorwurf einigermaßen unhaltbar, eine Partei sei nur deshalb überflüssig, weil sie sich nicht so recht zwischen einem Befürworten und einem Ablehnen der Brandmauer entscheiden kann. Von manch interner Streitigkeit abgesehen, steht man programmatisch wie kein anderer Anbieter zum Pazifismus, fordert Frieden in der Ukraine wie im Nahen Osten. Bezüglich der Migration unterlässt man Populismus, sieht jedoch die Notwendigkeit für strukturelle Reformen im Asylrecht. Redefreiheit gehört ebenso zu den Postulaten wie mehr soziale Gerechtigkeit für die hart arbeitende Bevölkerung. Ob sich hinter der „Vergesellschaftung von Betrieben“ tatsächlich ein verkappter Kommunismus verbirgt, kann man mit Blick auf gewisse Äußerungen aus der Vergangenheit zwar spekulieren. Dass sich das Projekt allerdings einem Realsozialismus verschrieben hätte, der in ähnlicher Konsequenz zum Ausdruck gebracht wird wie bei Jan van Aken oder Heidi Reichinnek, hiervon kann nur jener ausgehen, der einen glaubwürdigen Gegenentwurf zum Establishment diskreditieren will.
Frieden und Verhandlung scheinen in Zeiten von Kriegstüchtigkeit ungenehme Positionen…
Oftmals auf Russlandfreundlichkeit reduziert, werben unterschiedliche Charaktere lediglich für ein umfassenderes Verständnis für die Genese von Krieg und Konflikt, lässt sich auch die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine nur dann in ihrer gesamten Breite nachvollziehen, berücksichtigt man die gegen jegliche mündliche Absprache verstoßende Expansion der NATO in Richtung Osten sowie ein Abhängen der Regionen wie den Donbass durch den Sturz von Präsident Wiktor Janukowytsch während der Maidan-Revolution, wohl initiiert und unterstützt durch die EU. Und bei aller Staatsräson ist es eine allzu zulässige wie zwingende Mahnung, nach dem Überfall der Terroristen der Hamas von 2023 die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens von Israel im Gazastreifen auch dann kritisch zu bewerten, wenn sich Teile der Zivilbevölkerung weiterhin mit den islamistischen Zielen der Muslimbruderschaft identifizieren. Insofern wäre es allein um der Meinungsvielfalt willen ein Akt der Fairness, dem BSW die Chance auf Mitsprache einzugestehen.