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Die zweideutige Aussage des Bundespräsidenten war bewusst zur Interpretation gewählt!

Politikberater kritisiert Steinmeier für seine Äußerung zu „extremistischen Rattenfängern“

Der Bundespräsident hat mit einer Aussage zu extremistischen Rattenfängern für Aufsehen gesorgt. Schnell sind ihm manche Medien beigesprungen, die auf die geschichtliche Symbolik des Terminus verweisen. Dass Steinmeier die Begrifflichkeit ausdrücklich in dieser Deutung verstanden haben möchte, davon kann der erste Mann im Staat nicht ausgehen, meint der Politik- und Kommunikationsberater Dennis Riehle (Konstanz). Er kritisiert ihn für eine in verschiedene Weise zu interpretierende Formulierung – insbesondere angesichts der gesellschaftlichen Stimmungslage im Land. In einem Statement erklärt Riehle wie folgt:

Ja, man kann dem Bundespräsidenten bei gutem Willen unterstellen, dass er mit seiner Aussage zu den „extremistischen Rattenfängern“ lediglich auf eine Symbolik zurückgegriffen hat – und damit ausdrücklich nicht eine Dehumanisierung von jenen ausdrücken wollte, die sich von radikalen Kräften im Land für ihre Auffassungen instrumentalisieren lassen. Doch kann man tatsächlich erwarten, dass in einer derart gesellschaftlich angespannten Atmosphäre wie im Augenblick jeder sofort den geschichtlichen Hintergrund dieser Metaphorik erkennt und versteht? Frank-Walter Steinmeier hätte im Bewusstsein seines Amtes und des Publikums der Botschaft, das seine Aussagen eben nicht unter einer historischen Einordnung empfängt, sondern zunächst einmal davon ausgehen kann, dass der höchste Mann im Staat nicht in einer derart komplexen bildlichen Sprache formuliert, eine weniger mittelbare Ausdrucksweise wählen sollen. Denn es war mit Blick auf die Wirkungsweise solcher Vokabeln erwartbar, dass es zu Missverständnissen kommt.

Und diese hat er mich nur billigend in Kauf genommen, sondern sie möglicherweise sogar bewusst provoziert, um eine erneute Debatte über „Rechtsextremisten“ zu eröffnen. Dass er dabei nicht explizit AfD-Mitglieder, -Sympathisanten oder -Wähler als Adressaten artikuliert hat, macht die Vermutung kaum unplausibler, dass er genau sie mit seinem Statement ansprechen und konfrontieren wollte. Es ist von einer Figur wie dem einstigen SPD-Diplomaten allemal abzuverlangen, dass er in einer unverfänglichen Rede versöhnt – und den Bürger ernstnimmt, ohne ihm die notwendige Zuhilfenahme eines Lexikons zuzumuten, um seine Parabeln interpretieren zu können. Betrachtet man seine Aussagen allerdings im Kontext seiner Einlassungen aus den vergangenen Tagen und Wochen, so bin ich mir nicht sicher, inwieweit er es genau darauf angelegt hat, eine zweideutige Färbung seiner gewählten Worte heraufbeschwören zu wollen. Alle, die ihn nun unter dem Verweis in Schutz nehmen, dass er sich einer Redewendung bedient hat, die man in ihren Ursprung einbetten müsse, nötigen dem kleinen Mann an der Basis eine wohlwollende Deutung eines Terminus ab, den man natürlich auch buchstabengetreu als Degradierung von in diesen Zeiten nahezu zu „Frei.Wild“ (vgl. aktuelle Berichterstattung über den Frontsänger der Band) erklärten Personae Non Gratae auffassen und als eine dem Staatsoberhaupt unwürdige Animalisierung von den „Falschen“ ansehen kann.

Denn Steinmeier hat zuletzt immer wieder deutlich gemacht, dass er sich mit denjenigen solidarisiert, die rechts denkende Menschen in diesen Tagen als Teil des Bösen betrachten, von welchem die auf der „richtigen“ Seite stehenden Selbsthass-Deutschen die Demokratie befreien müssten. Letztlich spielt es weniger eine Rolle, was der Präsident gemeint haben will, sondern was in der Bevölkerung angekommen ist. Entschuldigende Versuche, wonach viele die Verbildlichung des Idioms vom Rattenfänger kognitiv nicht begriffen hätten, machen die gesamte Angelegenheit eigentlich noch sehr viel schlimmer. Für mich war es ein klar definiertes Kalkül aus dem Schloss Bellevue, einen erneuten Kontrapunkt gegen Regierungsuntreue setzen zu wollen.

Von Verständigung ist die eigentlich die Gesamtheit des Volkes repräsentierende Spitze unseres Landes mittlerweile weiter weg denn je. Und ihr geht es auch gar nicht mehr darum, Integration zu betreiben oder eine neue Einheit im Geiste gesunden Patriotismus und Eigenliebe zu Wurzeln, Heimat und Herkunft zu ermöglichen – von der wir mittlerweile nur noch plattitüdenhaft in unserer Nationalhymne singen. Stattdessen ist es wohl ein gewünschtes Ansinnen der sich verbündenden Wokeisten, durch Diffamierung, Denunzierung und Deklassifizierung diejenigen immer weiter zu brandmarken und zu etikettieren, die aus ihrer Sicht leichte Beute für sogenannte „Verfassungsfeinde“ sind. Hätte Steinmeier über diese als Menschen- statt Rattenfänger gesprochen, hätte er zumindest Sensitivität bewiesen. Doch das wollte er nicht. Ihm ging es offensichtlich um Spaltung, um Gräben, um Distanz. Sie hat er nun bekommen, die Entfremdung zu Politik und System nimmt weiter zu. Ein Erfolg, für den sich viele seiner Vorgänger bis in die 2000er-Jahre geschämt hätten.

Weitere Informationen zum Autor unter www.dennis-riehle.de.

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