Kommentar von Dennis Riehle
Was soll man von einem Aufeinandertreffen zwischen radikalem Feminismus und pragmatischem Verstand erwarten? Letztendlich war der Ablauf der TV-Konfrontation zwischen den Kandidaten zur Europawahl im ZDF spätestens zum Zeitpunkt einigermaßen klar, als sich der Sender für die beiden Moderatoren entschied, die durch den Abend führen sollten – und die Speerspitze linkslastiger Zeitgeistigkeit ins Rennen schickte. Dunja Hayali gilt seit jeher als eine überaus engagierte Verfechterin des unfairen Journalismus, dem es nicht um Berichterstattung, Information oder Bewusstseinsbildung des Zuschauers geht. Stattdessen ist ihr erklärtes Ziel der Transport von vorgekauten Schlagzeilen und Meldungen, die die Meinung des Konsumenten in eine bestimmte Richtung beeinflussen soll – und ihn möglichst weit von der politischen Realität entfernt. Dass ihr dies in den angestammten Formaten wie dem „Morgenmagazin“ oder dem „heute journal“ besser gelingt als in einer Diskussion von manch einem kampflustigen Streithahn, erklärt sich letztlich selbst. Und so musste sie sich anderer Instrumente bedienen, um die Debatte zu kanalisieren – und nur jene Aussagen über den Äther in die Nation hinaus zu schicken, die im Zweifel dazu geeignet sind, wieder einmal einen Skandal zulasten der Alternative für Deutschland aufzutun. Während sie also kriegerische Agitationen und plumpe Ukraine-Fürsprache nahezu unkommentiert passieren ließ, unterbrach sie jenen Mann im Verlauf nach jedem zweiten Wort, der ohnehin einen schweren Stand hatte – und sich trotz der widrigen Bedingungen als ein Garant von Gelassenheit, Routine und Courage bewies. Denn nach den aufgebauschten Affären um Maximilian Krah und Petr Bystron hatte die Partei einen weiteren Vertreter ihrer Liste ins Studio entsandt, welcher bisher in der Öffentlichkeit deutlich weniger bekannt war als beispielsweise sein thüringischer Kollege Björn Höcke.
Und so war es nicht verwunderlich, dass die Haltungspresse kurzerhand ein Zitat des von mir wegen seiner Sachlichkeit, Ruhe und Konzentration überaus geschätzten René Aust auf die Goldwaage legte – und in einem simplen Attest einen Beweis für das wahre Gesicht der AfD auftat, die bei jeder anderen politischen Kraft ohne Murren durchgegangen wäre. Auf die Frage, warum und mit welchem Ziel er ins Parlament in Brüssel einziehen möchte, gab er eine schlichte Antwort, die für jeden distanzierten Beobachter weder anrüchig noch ein Aufreger wert ist. „Weil wir natürlich so lange es die Gelegenheiten gibt, dort auch Ressourcen zu nutzen, um unsere Inhalte in Deutschland zu verbreiten, diese auch nutzen möchten, um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber den anderen zu haben“ – lautete seine eigentlich so unanstößige Einlassung. Denn natürlich geht es nicht nur um den Idealismus, den man als Herausforderer ins Plenum nach Straßburg tragen möchte. Sondern es stellt keine Neuigkeit dar, dass jeder Konkurrent darauf schielt, das dortige Parkett und die finanziellen wie personellen Vorteile in Anspruch zu nehmen, um seine Standpunkte, Ambitionen und Visionen anzubringen – und auf deren Grundlage Beschlüsse und Entscheidungen herbeizuführen, die eben nicht nur im Sinne der eigenen Ideologie sind, sondern gerade bei den Blauen auch darauf abzielen, dem Willen des Volkes wieder Gehör, Aufmerksamkeit und Substanz zu verleihen. Es sind sicherlich nicht die Alternative und ihre Abgeordneten, welche die Strukturen des Machtapparats der EU über Gebühr für einen persönlichen Nutzen strapazieren – oder in eine Klüngelei verwickelt sind, im Rahmen derer die Verteilung von Pöstchen und Ämtern an jeder Aufsicht durch den Souverän vorbei arrangiert wird. Die ihnen angelastete Integritätslosigkeit wäre wohl beim alteingesessenen Establishment besser platziert, das sich mittlerweile für seine Mauschelei nicht einmal mehr geniert. Und so ist es ein neues Ablenkungsmanöver des Staatsfunks, dass man mit den Fingern auf diejenigen zeigt, die von den Behörden wegen chinesischen Spionen in ihren Büros drangsaliert werden – welche wiederum seit vielen Jahren dem Verfassungsschutz bekannt waren, aber ausgerechnet dann auffliegen, wenn der nächste Urnengang vor der Tür steht.
Die Tendenziösität wird auch am Umstand deutlich, dass die christdemokratische Kommissionspräsidentin derzeit nur deshalb unbehelligt Wahlkampf machen kann, weil die Justiz alle Ermittlungen gegen sie unterbrochen hat – obwohl gravierende Verdachtsmomente von möglichen Straftaten mit einem exorbitanten Ausmaß im Raum stehen. Dass jede Legislative irgendwann zu einem Selbstbedienungsladen verkommt, dafür reicht das Wissen über die Tatsache aus, dass es kaum einen anderen Berufszweig gibt, welcher derart selbstgefällig über seine Diäten abstimmen kann. Daher sprach Aust ein offenes Geheimnis aus, das ihm allein deshalb zum Verhängnis wurde, weil der gierende Muckraker nur auf eine Gelegenheit wartete, der AfD ihre Sittlichkeit und Normativität streitig zu machen – und sie als einen Schmarotzer zu entlarven, der sich auf Steuerzahlerkosten ein schönes Leben in Belgien macht. Dass unsere Gelder allerdings andernorts verpulvert werden, erwähnte die eifrig um Zerstreuung bedachte Hayali natürlich nicht. Stattdessen geriet ein authentischer, fachkundiger und zugewandter Politiker in das Fadenkreuz zwischen Mitri Sirin und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, an dem sich die Systemmedien in psychologischer und akribischer Kleinteiligkeit und Erbsenzählerei mühselig abarbeiteten. Sie unterstellten ihm Nervosität, Unsicherheit und Unkenntnis – um damit von der inhaltlichen Leere wegzuleiten, die beispielsweise die monothematische aufgestellte FDP in den Kreis einbrachte. Ihm gelang es hingegen, während der wenigen Momente von uneingeschränkter Rede die argumentativen, programmatischen und ideologischen Widersprüche der Sesselkleber zu spiegeln – und das stringent gegensätzliche Konzept seiner Partei nach Kräften zu präsentieren, zu erklären und zu untermauern. Er geht nicht nur als Sieger der Herzen hervor, sondern auch als Fels in der Brandung, welcher sich von der künstlich geschaffenen Nervosität in der Runde nicht beeindrucken ließ.