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Bündnis Sahra Wagenknecht: Planwirtschaft mit nationalem Anstrich

Sahra Wagenknecht verschleiert ihre programmatischen Schwerpunkte eigentlich nicht. Zwar kann man sich unter den blumigen Worten einer Demokratisierung von Betrieben vielleicht im ersten Moment nicht wirklich das vorstellen, was sie meint – nämlich nicht nur eine Überführung von privatwirtschaftlichen Eigentum in den Besitz von Mitarbeitern und  Beschäftigten, sondern auch eine zentralgelenkte und durch staatliche Regulierung beeinflusste Ökonomie, zumindest in wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge und der Güterproduktion für das alltägliche Leben.

Liest man sich aber ihre Bücher und Texte aus der Vergangenheit durch, werden diese Absichten rasch unmissverständlich: Zweifelsohne sind sie in den bisher bekannten programmatischen Schwerpunkten ihres neuen Bündnisses deutlich verkürzt – und sicherlich auch verklausuliert. Aber wer möchte, kann sich bereits heute ein Bild davon machen, was die ehemalige Linken-Politikerin an Vorstellungen für die Gesellschaft hegt. Dass wir in unserem Land gerade bei übermächtigen Konzernen durchaus mehr Spielräume der sozialen Marktwirtschaft nutzen müssten, um monetäre Exzessen Einhalt zu gebieten, dieser Überzeugung werden wohl auch viele Menschen abseits des extremen Randes zustimmen. Aber selbstredend sollte man sich bewusst machen, dass es ihr in der Zielsetzung wenigstens um eine Mischung aus „DDR light“ und einer stärker auf nationale Interessen und Bedürfnisse des einfachen Mannes ausgerichteten Politik eines Neokonservativismus geht, welche durchaus mit einem erheblichen Umbau des jetzigen Systems verbunden wäre.

Gleichermaßen hat sie aber noch andere Unklarheiten in ihrer Konzeption, die ihr möglicherweise auf die Füße fallen könnten. Denn auch mit Blick auf das die Öffentlichkeit arg bewegende Thema der Migration gibt es eine doch erhebliche Heterogenität in den Ansichten der einzelnen Funktionäre in der neuen Partei. So hat die bisherige Linksfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali noch vor einigen Jahren jegliche Abschiebung von Flüchtlingen abgelehnt, deren Asylverfahren mit einem negativen Bescheid rechtskräftig endete. Heute gibt sie sich diesbezüglich geläutert, was man einerseits auch durchaus als glaubwürdig annehmen kann. Denn ich weiß selbst, dass äußere Umstände eine Meinung komplett verändern können. Trotzdem braucht es andererseits Klarheit und ein Bekenntnis zu einer einheitlichen Linie, wie das BSW im Jahr 2024 zu der illegalen Einwanderung und der Regellosigkeit mit Blick auf die momentanen Zustände in unserem Land diesbezüglich eingestellt ist. Möglicherweise wird man heute in der anstehenden Pressekonferenz und innerhalb der kommenden Wochen dazu mehr erfahren. Nachholbedarf in Sachen Transparenz ihrer Ideologie gibt es in jedem Fall.

Leider hatte Sahra Wagenknecht auch in der Pressekonferenz zur Vorstellung ihrer frisch gegründeten Partei nicht wirklich vermocht, ausstehende Fragen gänzlich zu beantworten und Zweifel daran auszuräumen, dass es sich bei ihren Positionen tatsächlich um mit unserem demokratischen System vereinbare Ziele handelt. Wenngleich sich die ehemalige Linken-Politikern erneut rhetorisch brillant erwies und es vermochte, die Stimmungslage im Land in deutliche, zugespitzte und ehrliche Worte zu fassen, kam man über einige sicherlich von vielen im Volk teilbare Standpunkte nicht weit hinaus. Viel eher braucht es nun eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Programm, das nur sehr begrenzt angeschnitten und skizziert wurde. Immerhin weiß man um die grundsätzliche Einstellung der mit ihrer Persönlichkeit herausstechenden Bundestagsabgeordneten, die in ihren Büchern und Texten keinen Hehl daraus macht, dass ihr ein retrosozialistisches Konzept vorschwebt – zumindest in der Wirtschaftspolitik.

Dissonanzen und Heterogenität unter den Protagonisten – beispielsweise in der Migrationsfrage – wurden auf dem Podium in der Bundespressekonferenz weitgehend zu kaschieren versucht. Lediglich das Bemühen, die erste klar lagerübergreifend denkende, aber eben nicht von Ideologie freie Partei in Deutschland als ein Potenzial für deutliche Verschiebungen in den Umfragen zu würdigen, war dann doch allen auf der Bühne anzumerken. Dass sich das Bündnis allerdings nun doch den Namen ihrer Gründerin gegeben hat, ist sicherlich aus PR-Gründen zweischneidig zu sehen. Wenngleich die Person Wagenknecht für viele eine Ikone bereits deshalb darstellt, weil sie innerhalb ihrer ehemaligen politischen Heimat einen prägnanten und pragmatischen Kontrapunkt gesetzt und sich mit klarer Kante von deren zunehmender Genderifizierung und Klimafanatisierung abgegrenzt hat, muss sie nun auch beweisen, dass es um mehr geht als eine bloße One-Woman-Show, in der Selbstdarstellung und Rampenlicht im Vordergrund stehen. Wagenknecht kann zweifelsohne Menschen an sich binden und sie mit ihrer Erscheinung einnehmen. Dennoch sollte man sich nicht verblenden lassen vor noch immer vielen Widersprüchlichkeiten in ihrer Konzeption und der Vorstellung der Zukunft von Deutschland. Doch ich stimme mit ihr überein, dass Exzesse des Neoliberalismus genauso unterbunden werden müssen wie Extremismus in Ökologie oder Transformation. Dennoch dürfen viele verlockend wirkende Populismen wie eine rigide Umkehr in Sachen Asyl nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wähler mit einem Kreuz auf dem Stimmzettel beim BSW möglicherweise im selben Schachzug auch für einen plangesellschaftlichen Umbau unseres ökonomischen, freiheitlichen und bürgerlichen Staatswesens votiert. Dieser Möglichkeit sollte man sich zumindest solange bewusst sein, wie die neue Partei derartige Visionen nicht konsequent ausschließt.

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