Kommentar von Dennis Riehle
Der Nachwuchs wählt links! – Nein, ich leide noch nicht unter Realitätsverlust. Sondern ich erinnere mich an meine Schulzeiten, als es nahezu en vogue war, Sympathisant der Grünen oder anderer Genossen zu sein. Doch Zeiten sind dazu da, sich zu ändern. Und es ist noch gar nicht allzu lange her, da hätte derjenige seine Tassen im Schrank suchen müssen, der die Schlümpfe zum neuen Maskottchen unserer Töchter und Söhne erklärt. Mittlerweile droht bei der Verwendung dieser Zeichentrickfiguren im Internet sogar eine Gefährderansprache durch Faesers anrückende Kavallerie, weil es einem zumindest in Teilen ideologisch durchsetzten Staat nicht passt, dass unsere Kleinsten sukzessive aus einem bunten, vielfältigen und toleranten Dornröschenschlaf erwachen, in den man vielleicht sogar durch Eltern versetzt wurde, die noch heute in Ekstase das 68er-Ideal propagieren. Jedenfalls spricht es für Rückgrat, sich nicht länger Zustände bieten zu lassen, die auf vielen Pausenhöfen von heute zur Normalität gehören. So kann man es keinem noch so angepassten Schüler abverlangen, sich durch Schläge oder Klingen malträtieren zu lassen, die bei nüchterner und ehrlicher Betrachtung häufig in den Ranzen und Hosentaschen von Klassenkameraden ohne deutschen Hintergrund ihr Dasein fristen. Da wird der Kulturkampf zwischen der vierten und fünften Stunde ausgetragen – und dem Hoheitsanspruch über unser Territorium im Kleinen messerscharf Ausdruck verliehen.
Blau ist mittlerweile für viele Heranwachsenden zur Lieblingsfarbe geworden – wenigstens mit Blick auf die politische Präferenz. Und so verwundert es kaum noch, dass die AfD unter den 16- bis 25-Jährigen unangefochtene Nummer eins scheint. Mit diesem Votum und der Sympathie geht allerdings auch eine Verantwortung einher. Und bedauerlicherweise muss man im Augenblick attestieren, dass sich die Umschwärmten schwertun, dieser Fürsprache unserer Nachkommenschaft gerecht zu werden. Schon seit längerem gibt es Anzeichen dafür, dass im Mutterschiff Unzufriedenheit über die Junge Alternative herrscht. Sie sei in Teilen zu radikal, zu fundamentalistisch und zu patriotisch. Und obwohl man selbst schon etikettiert wurde, wirft man den Sprösslingen vor, die Blicke des Verfassungsschutzes unnötig auf sich zu ziehen. Denn Horch und Guck hat die Spunde in einigen Bundesländern ebenfalls als rechtsextremistisch gebrandmarkt – und macht damit nicht einmal Halt vor denen, die in ihrer Adoleszenz bereits mündig und autonom genug sind, sich ein eigenes Bild über die desaströse Lage in der Republik zu machen. Es ist sowohl eine armselige Bankrotterklärung weisungsgebundener Behörden, sogar die Souveränität von Teenies beschneiden zu wollen. Aber auch ein Ausdruck von Schwäche der Partei, die es augenscheinlich nicht vermag, sie vor den Fangarmen der Geheimdienste in Schutz zu nehmen.
Zwar hat Hannes Gnauck, Chef der JA und Verteidigungspolitiker im Parlament, aufgekommenen Berichten stets widersprochen, der Bundesvorstand wolle seine Vorfeldorganisation loswerden. Trotzdem hadert man intern damit, dass sich im Augenblick nicht nur die Medien das Maul darüber zerreißen, welches Pfund man mit der juvenilen Generation herumschleppt. Zweifelsohne tut sich die AfD mit Solidarität nicht zum ersten Mal schwer. Und die Ursache dürfte in ihrer inhärenten Gespaltenheit zu suchen sein. So ließ man Maximilian Krah im Europawahlkampf kurzerhand wie eine heiße Kartoffel fallen, weil er über eine Aussage im Interview mit italienischen Journalisten bezüglich der individuellen Schuld von Angehörigen der SS gestolpert war. Mit unlauteren Mitteln soll der beliebte Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich verbannt werden, weil ihm bis heute nicht eindeutig bewiesene Vorhaltungen über den Gebrauch entwürdigender Vokabeln gemacht werden. Noch immer halten gerade im Landesverband Nordrhein-Westfalen viele Fans von Jörg Meuthen und seinem früheren Dunstkreis das Zepter in der Hand, die sich mit Agitation gegen die eigenen Leute nicht zurückhalten. Und so existieren weitere Beispiele für eine bröckelnde Geschlossenheit, die nun selbst jene zu spüren bekommen, denen man viel Zuspruch zu verdanken hat. Denn gäbe es nicht das Fundament der Postpubertären, sähe es mit einer tragfähigen Basis deutlich finsterer aus.
Wer sich in politischen Verbünden engagiert, der weiß ebenso gut wie jeder Presseschaffende, dass die größte Gefahr für einen Zusammenschluss nicht etwa von den Angriffen der außenstehenden Widersacher ausgeht. Sondern von einer Erosion innerhalb des Gefüges, dessen Substanz ohnehin lädiert ist, weil man volle Breitseite dem Sturm des ökosozialistischen Massengeschmacks ausgesetzt ist. Gerade dann wäre es vonnöten, wie ein Fels in der Brandung zu stehen. Und dazu gehört es beispielsweise auch, sich nicht in einer kindlichen Distanzeritis zu üben, welche den Rückhalt, die Einheit und den Kitt bedroht. Die bereits fortgeschrittenen Debatten darüber, wie man das Verhältnis zwischen Älteren und Jüngeren in der AfD neu gestalten kann, haben durchaus das Potenzial, eine sich in den Umfragen auf dem besten Weg zur gefestigten Volkspartei befindliche Kraft namhaftem Ansehensverlust auszusetzen. Schließlich sind viele Mitglieder und Unterstützer selbst noch nicht allzu lange aus der Phase des Reifeprozesses hinaus, welcher nun einmal dazu einlädt, bei Bedarf nicht jedes einzelne Wort auf die Goldwaage zu legen. Und so mag man vielleicht das ein oder andere „TikTok“-Video der JA als reißerisch oder provokant wahrnehmen. Doch ist es nicht vielleicht auch die Missgunst auf diese kreativen, engagierten und couragierten Köpfe Anfang oder Mitte 20, der manch einen adulten Charakter vor Neid erblassen und sich krampfhaft von ihnen emanzipieren lässt?