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Auch für Schreihälse gilt: Ein bisschen Lesen in Ehren, würde Torheit verwehren!

Politikberater kritisiert die fehlende Argumentationsgrundlage bei Rufen nach AfD-Verbot

Die Stimmen verschiedener Politiker, Prominenter und Wissenschaftler, die ein Verbot der Alternative für Deutschland fordern, ebben nicht ab – kommen aber in ihrer argumentativen Rechtfertigung nicht voran. Würde manch eine dieser laut schreienden Stimmen zunächst einen Blick in das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der damaligen NPD werfen, dürfte sich manch eine Diskussion erübrigen, meint der Journalist, Politik- und Kommunikationsberater Dennis Riehle (Konstanz). Er erklärt in einem Statement wie folgt:

Wenn ich aktuell die Meldungen im Fernsehen und in den Zeitungen höre (und lese), wonach das Urteil zur Parteienfinanzierung der NPD, heute: “Die Heimat”, ein wichtiger Meilenstein in Richtung eines AfD-Verbots sei, kommen mir doch erhebliche Zweifel daran, ob Journalisten vor der Formulierung von Schlagzeilen mittlerweile überhaupt noch recherchieren – oder sich mit der Thematik in irgendeiner Form bekannt machen. Denn die Ausführungen in Karlsruhe waren sehr deutlich – und eigentlich unmissverständlich. In dem aktuellen Verfahren ging es lediglich um die Fragestellung, ob der vom Gesetzgeber in der Verfassung installierte Mechanismus zum Ausschluss einer politischen Kraft von der staatlichen Parteienförderung mit dem Grundgesetz kompatibel ist. Das Gericht hat an seiner Bewertung der NPD in seinem Urteil über ein Verbot aus dem Jahr 2017 auch heute festgehalten – und darauf verwiesen. Demnach gilt die mittlerweile umbenannte Partei auch weiterhin als konsistent verfassungsfeindlich. Für einen Ausschluss aus der Parteienfinanzierung genügt dieses Kriterium allein. Anders ist es aber bei einem Verbot einer politischen Kraft. Dieses war gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands damals auch deshalb gescheitert, weil ihr nicht die Fähigkeit zugesprochen wurde, mit ihrer damaligen wie derzeitigen Stärke auch nur annähernd in die Situation zu kommen, ihre Überwindungspläne der Demokratie auch tatsächlich in die Realität umsetzen zu können. Sie war zum dortigen Zeitpunkt wie auch jetzt nicht in der Lage, signifikante Wahlergebnisse vorweisen zu können – oder gar ein strukturelles Fundament vorzuweisen, aus dem heraus sie das in ihrem Programm zweifelsohne erkennbar formulierte Ziel zur Abschaffung der derzeitigen Staatsform verwirklichen könnte.

Da sie in der breiten Fläche weitgehend in der Bedeutungslosigkeit versunken war – und auch keine Aussicht darauf bestand, dass sich an dieser fehlenden Präsenz im politischen Geschehen absehbar etwas ändern würde, ging von ihr auch keine konkrete Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus. Deshalb war das Verbot damals abzulehnen. Wenn es nun um die AfD geht, wären für eine Untersagung der Partei ebenfalls mindestens zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Die Alternative für Deutschland ist mit Blick auf ihre Gegenwart in der politischen Landschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik aktuell durchaus in einer Position, aus der heraus sie in Regierungsverantwortung kommen und damit auch die von ihr vertretene Programmatik zumindest in koalitionärer Zusammenarbeit realisieren könnte. Diesbezüglich befindet sie sich also in einer völlig anderen Ausgangslage als die NPD. Doch ihr fehlt es wiederum an der Erfüllung der Bedingung, die die heutige Partei “Die Heimat” wiederum eindeutig und richterlich bestätigt meistert. Nämlich das Vorweisen von hinreichenden Anzeichen, die eine nachweisbare, konsistente und begründete Annahme auf Verfassungsfeindlichkeit zulassen. Weder dies, noch konkludente und plausible Argumentations- und Nachweisketten liegen hingegen bei der Alternative für Deutschland vor, welche die Schlussfolgerung zulassen, dass sie es bewusst und gewillt auf eine Abschaffung der derzeitigen Volksherrschaft und ihrer entsprechenden demokratischen und grundgesetzlichen Werte abgesehen hat. Für ein solches Indiz reicht es gerade nicht aus, dass sich Hinterbänkler aus der Partei in einem ominösen, von vielen Widersprüchen geprägten und durch mysteriöse Quellen an die Öffentlichkeit gedrungenen “Geheimtreffen” über Remigration ausgetauscht haben.

Es braucht belastbare Anzeichen und Belege, dass die politische Kraft in ihrer gesamten Breite – insbesondere auch unter denjenigen Personen, die im Zweifel Führungsverantwortung übernehmen würden und exekutive Ämter ausüben könnten -, nicht nur einer rechtsextremen Gesinnung anhängt. Sondern es zumindest nicht unerhebliche Teile der AfD auf eine Erosion des normativen Rahmenkonstrukts der Bundesrepublik und ihres repräsentativen Systems anlegen. Und genau diese Hürde dürfte die Alternative für Deutschland auch nach dem jetzigen Urteil zum Ausschluss der NPD aus der Parteienfinanzierung gerade nicht nehmen können. Denn auch wenn in diesen Tagen Deutschland gegen rechts aufsteht, so hat sich an der grundsätzlichen Ausrichtung der Alternative für Deutschland nichts geändert. Sie mag durch einige Personen, Lager, Strömungen und Vorfeldorganisationen durchaus extremistische und möglicherweise antidemokratische Positionen einnehmen. Doch dass diese über partikulare Interessen von einzelnen Flügeln und Charakteren innerhalb der AfD hinausgehen, dafür liegen zumindest bislang keine bekannten und der Außenwelt  zugängliche Informationen vor. Wer sich das Programm der Partei durchliest, findet zumindest keine nachhaltigen und überzeugenden Aussagen, die über eine polarisierende, möglicherweise auch radikale Haltung und Meinung in einzelnen Sachfragen hinausgehende Substanz besitzen, aus der sich die Deutung einer persistenten Feindlichkeit gegenüber der derzeitigen Staats- und Herrschaftsform ableiten ließe. Doch dies wäre natürlich auch notwendig, wenn man nun einen Gedanken daran verwendet, auch der AfD die staatliche Parteienfinanzierung zudrehen zu wollen.

Weitere Informationen zum Autor unter www.dennis-riehle.de.

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