Kommentar von Dennis Riehle
Es ist wohl das letzte Aufbäumen einer Haltungsjournaille, die versucht, die „Rechtsextremen“ innerhalb Deutschlands, Europas oder der Welt zu spalten, indem sie ihnen unterstellt, sie stecke voller Widersprüche. Wenn in diesen Tagen jemand durch eine Doppelmoral glänzt, dann sind es die Grünen und die mit ihnen im Gleichschritt marschierenden Klimaextremisten in unserem Land, die in dem einen Moment unserer Spezies durch eine Reduktion der CO2-Emissionen auf null das Leben nehmen möchten, welche in der darauffolgenden Sekunde um die halbe Welt jetten, um sich vor Gericht einem Prozess für ihre Nötigung durch das Festkleben auf unseren Straßen zu entziehen und stattdessen ihren Urlaub in der Karibik verbringen. Oder die den Fußabdruck anmahnen – und gleichzeitig zu Zehntausenden auf einer Konferenz darüber philosophieren, wie Nachhaltigkeit aussehen kann, zu der man in dutzenden Fliegern angereist war und sich der Ekstase des Treibhausgasausstoßes hingab. Es sind diejenigen, die in der Ukraine Atommeiler als fortschrittlich beurteilen und in der Bundesrepublik als Sicherheitsrisiko einstufen, die für ihren Traum der Windparks Wälder roden müssen oder für ihre Wüsten an Photovoltaikanlagen die Landschaft und Artenvielfalt gefährden, die vor Zweizüngigkeit nur so strotzen. Es sind diejenigen, die Fleisch am liebsten verbieten wollen, aber klammheimlich im Restaurant aber stets ein Schnitzel bestellen, die mehrere Gesichter haben. Und es sind diejenigen, die sich als Friedenspartei gegründet haben – und jetzt in Leichtfertigkeit und mehr oder weniger bewusst eine immer weitere Eskalation schwelender Konflikte befürworten oder die Deutschen im Falle eines Angriffs von Russland zur Wehrfähigkeit ermutigen, welche sich der Gegenteiligkeit rühmen können.
Dass es innerhalb des rechten Spektrums ein Bestreben gibt, eine identitäre Gesinnung und ein Nationalbewusstsein in ein modernes Gewand zu kleiden, hat gerade nichts mit einer Abkehr von einem Konservativismus zu tun. Denn es sind lediglich die Vorurteilbehafteten, die bürgerliches Gedankengut als rückwärtsgewandt und altmodisch betrachten. Stattdessen liegt seine Stärke darin, Fortschritt als eine behutsame und weitsichtige Fortentwicklung des Bewährten zu verstehen. Im Gegensatz zum sogenannten Progressivismus geht es den Traditionalisten nicht um das herausreißen von Wurzeln, um etwas Frisches zu säen. Sondern sie stützen sich auf die Pflege, das Düngen und Bewässern von Strukturen, die keinesfalls verdorrt oder abgestorben sind. Viel eher sind sie der Garant für ständige Vitalität, Prosperität und Kontinuität von Leben, Identität und Kultur. Es sind also die politischen Klassizisten, die das Erprobte, Funktionierend und Geübte nicht zuschütten wollen, sondern dessen Erfahrung als Fundament nutzen, um auf diesem tragfähigen Grund in einer restaurativen wie neoterischen Manier an dem weiterzuarbeiten, was uns von den früheren Generationen als stabiles und widerstandsfähiges Gerüst übergeben wurde. Es ist also ein erheblicher Unterschied, ob man dem Althergebrachten lediglich einen modernen Anstrich gibt – oder ob man das Reaktionäre als Rückhalt versteht, um darauf aufbauen zu können. Im Gegensatz zu manch einem Avantgardistischen, der den Schlussstrich mit der Vergangenheit sucht und das Vergessen feiert, besinnt sich der „Oldschoole“, dass man das Rad nicht noch einmal erfinden muss – sondern die Substanz für die Architektur der Zukunft als bereits gegeben heranziehen kann.
Es wird gerade den Neurechten, aber auch der AfD, wiederholt vorgehalten, dass sie sich nach außen hin als mondän, futuristisch und jugendlich geben, im Innern aber verkrustet, patriarchalisch oder autokratisch wären. Doch allein aus dem Umstand, dass sich Herr Höcke vor einem Fernsehauftritt wie jeder andere Mensch in die Maske begibt und sich für die Kameras manche Unebenheit oder Falte kaschieren lässt, zu der Auffassung zu gelangen, dass er die Außenwelt über seine tatsächliche Haltung täuschen möchte, diese Qualität der Argumentation entspricht dem infantilen Niveau einer von links neidvoll auf die derzeitigen Erfolge der Alternative für Deutschland oder das Comeback des Patriotismus blickenden Bevölkerungskohorte, die sich krampfhaft um das Abschütteln jeglicher Geschichte bemüht. Natürlich gibt es in unserer Historie zahlreiche Epochen, auf die wir nicht stolz sein können – und die keinesfalls als Basis für das Morgen taugen. Aber es sind gerade die ethischen, moralischen und sittlichen Gebote dieses denunzierten Hinterwäldlertums, welche unter anderem als Orientierung für eine Gemeinschaft dienen, der das Spacige der Gegenwart offenbar nicht guttut. Denn es ist der obsessive Bruch mit der Natürlichkeit und der Normativität, der im Augenblick zur Verwirrung, Verunsicherung und Unverbindlichkeit in unserem Miteinander beiträgt. Immerhin führen Beliebigkeit und Willkür in aller Regel zur Polarisierung und Spaltung, weil die Unbestimmtheit jede Verlässlichkeit verhindert. Solange eine Sozietät keine Leitmotive besitzt, auf die sie sich berufen kann, wird sie der Anarchie ausgesetzt sein. Wenn wir allein darauf blicken, was der Genderismus und Queerismus an seltsamen Blüten treiben, so wird doch beispielsweise an der Utopie von Nonbinarität mehr als deutlich: Wenn wir von einem Gegenüber nicht mehr wissen, ob er/sie/es nun Mann, Frau oder Sache ist, dann wird es mit der Zwischenmenschlichkeit überaus schwierig. Deshalb liegt die Garantenstellung eines vermeintlich zeitgemäßen – aber nicht zeitgeistigen – Rechtsseins in Geltungskraft, Gewähr und Echtheit. Nur sie können es bewerkstelligen, eine allgemeingültige Verankerung zu bieten, die richtungsweisend nach vorne blicken lässt.